Begegnung muss jetzt stattfinden Ein Licht am Horizont für Theater und Kultur

Es ist ein merkwürdiges Schauspiel was sich allen bietet, die seit letzter Woche in der Stadt unterwegs sind: Wahrhaftige Menschenmassen wälzen durch die Straßen Siegens, stehen in Schlangen vor Geschäften an und besetzen die Tische vor den Cafés und Restaurants.

Ja, richtig gehört, Tische. Die stehen plötzlich munter auf allen möglichen Freiflächen verteilt und tun so, als ob sie niemals verschwunden gewesen wären. So tun die Menschen übrigens auch. Wurden jemals so viele Personen auf einmal in der Stadt gesichtet? Ich glaube kaum. Doch während man zu Hause aus dem Fenster heraus verstohlen das Treiben auf der Straße beobachtet, blitzen plötzlich Erinnerungen aus längst vergessenen Zeiten auf und man fragt sich, ist das etwa die Normalität von der alle immer sprechen? Es scheint fast so.

Wie ungewohnt zu sehen, dass sich das Leben langsam wieder in Bewegung setzt, wie ungewohnt, dass die Distanz einer zögerlichen Nähe weicht. Einer Nähe, die in allen Bereichen des Lebens vermisst und so dringend benötigt wurde. So auch in großem Maße in kulturellen Einrichtungen, allen voran Theater, Opern, Konzerthallen. Zwar wurden Lösungen und alternative Wege gesucht, doch ganz egal wie gut die Qualität des Livestreams auch ist, er ersetzt niemals das Erlebnis und die Begegnung vor Ort und so wurden die Lockerungen überall voller Vorfreude und Spannung erwartet.

Sogar in Siegen, was in Fachkreisen nicht gerade als Kulturhochburg gilt, dürfen nicht nur Restaurantbesucher:innen aufatmen, sondern auch für alle Kulturbegeisterten dort draußen gibt es endlich ein Licht am Horizont, denn ja, es geht weiter, die Lockerungen machen sich bemerkbar. Kaum dass die Inzidenz die magische 50 erreicht hatte, kündigte nämlich das Bruchwerk Theater auch schon direkt eine Mini-Spielzeit für den Sommer an. Denn obwohl die Türen der Studiobühne seit Monaten verschlossen bleiben mussten, war das für die Theaterschaffenden des Bruchwerks kein Grund den Kopf in den Sand zu stecken. Nein, vielmehr war man hier optimistisch und grübelte, plante und probte um bereit zu sein für den Fall der Fälle, der nun endlich eingetreten ist. „Die Begegnung muss jetzt stattfinden; es muss jetzt wieder weitergehen“, sagt Milan Pešl, Mitbegründer des Bruchwerk Theaters und künstlerischer Leiter. Weitergehen in Richtung Normalität, wie auch immer diese nun aussehen wird.

 

 

Ein „normaler“ Theaterbetrieb ist jedenfalls ein guter Schritt in diese Richtung, auch wenn es von dem zuvor Gewohnten noch weit entfernt ist, können doch im Schnitt gerade mal 15-20 Plätze des Theaters wirklich belegt werden. Quasi eine Mini-Spielzeit im Mini-Format, dafür aber trotzdem mit ganz großem Theater, denn die Zuschauer:innen erwarten direkt zwei Schauspielpremieren, außerdem Konzerte und eine Wiederaufnahme.
Mit der Premiere von FOXFINDER, einem Schauspiel von Dawn King, wird die Spielzeit auch nicht gerade leise eingeleitet, denn zentrales Thema dieses Schauspiels ist nicht nur die Angst vor dem Unbekannten, sondern auch Verschwörungstheorien und Fanatismus. Klingt vertraut? Na, was ein Zufall. Ein Fuchs treibt sein Unwesen in diesem Stück, so zumindest die Behauptung. Denn wen sonst sollte man für jedes Unglück verantwortlich machen? Dass noch niemand jemals einen Fuchs gesehen hat, ist hierbei eher nebensächlich.
Nicht gesehen zu werden ist auch ein zentrales Thema der Premiere der Werkstattsparte tollMut, die mit SCHATTEN einen wütenden Monolog nach Elfriede Jelinek inszeniert. Eurydike, den meisten bekannt aus der griechischen Mythologie, entscheidet sich in diesem Stück dagegen die Unterwelt wieder zu verlassen, da sie erkennt, dass sie auch zu Lebzeiten nur als Schatten hinter ihrem Geliebten verblasste.
Zu diesen beiden Premieren gesellen sich außerdem noch drei Konzerte sowie die Wiederaufnahme des Stücks FISCHE, welches im Oktober Premiere feierte.

Es ist ein volles und abwechslungsreiches Programm, das vom Team des Bruchwerk Theaters auf die Beine gestellt wurde und die Freude darüber dieses nun auch wirklich zeigen zu dürfen, vor Menschen, vor Ort, in der Begegnung, ist groß. Es ist ein Anfang, der Hoffnung macht, dass auch Theater bald wieder zur Normalität gehören darf und nicht mehr bloß aus der Ferne vermisst werden muss. Für das Team des Bruchwerks ist klar: „Es wird anders werden jetzt; die Normalität wird eine andere sein. Aber die Frage ist doch: Wie können wir da überhaupt wieder ankommen?“ Die Frage nach dem Ankommen steht daher auch im Fokus dieser kleinen Spielzeit, egal ob emotional, spirituell oder physisch.

Wer vor dem physischen Ankommen jedoch noch ein wenig zurückschreckt und das Angebot der Begegnung noch nicht annehmen kann, der hat am 08. Juni dennoch die Möglichkeit einen Einblick in FOXFINDER zu erhaschen. Bei der offenen Probe im Stream (Link auf der Website des Bruchwerks) kann sich jede:r kostenlos dazuschalten und sich im Anschluss sogar noch mit Ensemble und Team austauschen. Damit die Begegnung auch weiterhin stattfindet.

Du möchtest weiterlesen?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.