In den kommenden Wochen werden wieder Millionen Menschen in Deutschland und Milliarden Menschen auf der ganzen Welt mitfiebern, wenn am 14. Juni die Fußball-Weltmeisterschaft in Russland beginnt. Doch bei all der Euphorie rücken negative Aspekte der deutschen Volkssportart schnell in den Hintergrund.
Die Fußball-Weltmeisterschaft gilt neben den Olympischen Spielen als das größte Sportevent der Welt. So sahen laut Angaben der FIFA rund 1 Millarden Menschen weltweit im Finale der WM 2014 zu als Mario Götze Deutschland zum Titel gegen Argentinien schoss.
Auch in den nächsten Wochen dürften die WM-Spiele in Russland wieder für viele volle Fanmeilen und Kneipen sorgen, denn der Fußball erfreut sich bekanntermaßen in der Gesellschaft seit vielen Jahren großer Beliebtheit. Diesbezüglich wurde in Deutschland beim WM-Finale 2014 eine TV-Quote von rund 34 Mio TV-Zuschauer gemessen, womit ein neuer deutscher TV-Rekord aufgestellt wurde.
Der Einfluss des Fußballs in der heutigen Gesellschaft
Doch nicht nur daran lässt sich der enorme Einfluss des Fußballs ablesen, denn bereits in den Wochen vor der Weltmeisterschaft wimmelte es in den Supermärkten von Fanartikeln rund um die WM oder dem DFB-Team. Ebenfalls ablesbar ist der Stellenwert der Sportart in den sozialen Netzwerken, wo der DFB-Spieler Mesut Özil kurz vor der WM bei Facebook knapp 31 Mio „Likes“ verbuchen kann (zum Vergleich: Angela Merkel kommt auf 2,5 Mio), wodurch er die Möglichkeit hat seine Fans zu erreichen – und zu beeinflussen.
Zudem sollen ARD und ZDF für die Übertragungsrechte der WM 2018 rund 218 Millionen € bezahlen – Geld, welches mit Teilen des Rundfunkbeitrags finanziert wird. Somit wird in Deutschland jeder Staatsbürger von der großen Popularität des Fußballs tangiert – ob er nun will oder nicht.
Die Volkssportart als Instrument der Politik?
Die Politik scheint sich die Strahlkraft des Fußballs ebenfalls zunutze zu machen, was in Deutschland wiederholt in diversen Bundestagsbeschlüssen während großen Fußball-Turnieren aufgefallen ist. So wurde zum Beispiel während der WM 2006 eine Erhöhung der Mehrwertsteuer beschlossen. Außerdem wurde bei der WM 2010 die Entscheidung gefällt, dass der Beitragssatz für die gesetzlichen Krankenkassen erhöht wird. Ein Muster, welches sich in den vergangenen Turnieren fortgesetzt hat. Wie auch bei einer Sitzung des Bundesrates während der EM 2012, als Deutschland zeitgleich gegen Italien spielte. Damals beschlossen 26 Abgeordnete eine Reform des Meldegesetzes, nach der es Ämtern erlaubt werden solle, die Daten von Bürgern an Adresshändler und Werbefirmen zu verkaufen, sofern die Bürger dies vorher nicht ausdrücklich ablehnen. Als die Öffentlichkeit von diesem Vorgang erfuhr, sorgte dies für einen Sturm der Entrüstung und der Bundesrat legte später sein Veto gegen die Reform ein.
Obwohl man der Politik keine negative Intention nachweisen kann, war der Zeitpunkt für diese unpopulären politischen Entscheidungen natürlich in jedem Fall sehr „bedacht“ gewählt, da sich die Aufmerksamkeit von Millionen von Deutschen während einer WM oder EM eher auf Fußball statt auf Politk richtet.
Fragwürdige WM-Vergaben
Indes fällt auch der Weltfußballverband FIFA seit Jahren mit seiner eigenen „Politik“ auf, welche sich in kuriosen WM-Vergaben äußert. Die jüngsten Beispiele dafür waren die WM-Vergaben im Jahr 2010, als Russland den Zuschlag für die WM 2018 bekam und Katar die Zusage für die Ausrichtung der WM 2022 erhielt. Diese Entscheidungen sorgten für große Kritik, da insbesondere die Abstimmung an Katar mit starken Korruptionsvorwürfen verbunden ist. So soll Mohamed bin Hammam, ein katarischer Spitzenfunktionär, FIFA-Funktionäre bestochen haben, um sich deren Stimmen für die WM 2022 zu sichern. In dem Fall passt es ins Bild, dass von den 22 FIFA-Funktionären, die damals an der Abstimmung teilnahmen, mittlerweile nur noch zwei im Amt sind, da der Rest entweder zurückgetreten ist oder abgesetzt wurde.
Immer wieder Schlagzeilen um Russland
Auch, die am Donnerstag startende WM in Russland, steht leider unter keinem besonders guten Stern. Russland und seine Regierung fallen seit Jahren regelmäßig mit negativen Schlagzeilen bzw. umstrittenen Entscheidungen auf (z.B. die Krim-Krise, angebliche Hackerangriffe im Zuge der US-Wahl 2016 oder die verweigerte Wahl-Zulassung für den Oppositionellen Alexej Nawalny) und nachdem mit den olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi das bisher letzte Mal ein sportliches Großereignis in Russland stattfand, wurde ein Doping-Skandal aufgedeckt, infolgedessen zahlreiche russische Sportler gesperrt wurden. Obwohl ein Großteil der Sperren aufgrund von mangelnden Beweisen wieder aufgehoben wurde, bleibt ein fader Beigeschmack – zumal das Doping auf Initative der russischen Politik durchgeführt worden sein soll.
Die WM-Affäre 2006
Leider sorgte die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland ebenfalls für negative Schlagzeilen: Laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ soll damals Geld aus einer schwarzen Kasse an das Bewerbungskomitee gezahlt worden seien. Mit diesem Geld sollen vier Funktionäre der FIFA bestochen worden seien, deren Stimmen nach Angaben des Blattes den Ausschlag für Deutschland als WM-Ausrichter gegeben haben sollen.
Doch während es zu dem Vorgang noch viele Ungereimtheiten gibt, plant der DFB bereits, das nächste große Fußball-Turnier nach Deutschland zu holen und reichte in diesem Jahr seine Bewerbung für die EM 2024 ein. Die Entscheidung über die Vergabe der übernächsten EM wird aller Voraussicht nach am 24. September 2018 gefällt.
Indes scheint sich in der deutschen Bevölkerung jedoch trotz der WM-Affäre 2006 kaum Widerstand gegen die deutsche Bewerbung zu regen, da der Fußball in Deutschland einfach zu mächtig und beliebt zu sein scheint, sodass die beliebteste Sportart der Deutschen anscheinend selbst durch solch einen Skandal nichts von ihrer Popularität einbüßt.
Alles nur ein Spiel? Nein!
Nicht nur bei den großen Turnieren wie WM und EM wird in Deutschland weiterhin begeistert zugeschaut, sondern auch der Vereins-Fußball erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit: So kann die Bundesliga in der abgelaufenen Saison einen Schnitt von rund 44.000 Zuschauern pro Spiel verbuchen – und das, obwohl das Titelrennen seit Jahren wenig Spannung zu bieten hat. Noch extremer ist die Begeisterung jedoch bei Spielen der Nationalelf, wo bei der EM 2016 selbst gegen einen sportlich relativ unattraktiven Gegner wie Nordirland über 25 Mio Menschen eingeschaltet haben sollen.
Oft wurde und wird von Fans proklamiert, der Fußball sei „die schönste Nebensache der Welt.“ Andere resümieren, dass die Sportart ja nur ein „Spiel“ sei – doch diese Ansichten scheinen wohl mittlerweile überholt zu sein. Längst hat der Fußball einen gewaltigen Einfluss auf Politik, Wirtschaft oder Medien. Mit Steuergeldern werden neue Stadien gebaut, zahlreiche finanzstarke Unternehmen betätigen sich bei Vereinen als Sponsoren und der Fußball ist exorbitant präsent im Fernsehen, in Zeitungen oder Alltagsgesprächen. Somit ist die Volkssportart wohl keine „Nebensache“ oder kein „Spiel“ mehr, sondern sie ist weit mehr als das. Sie nimmt einen zentralen Stellenwert in der Gesellschaft ein. Ein Stellenwert, der mit Macht verbunden ist und gefährlich sein kann. Ein Aspekt, den die Fans bei all der Begeisterung auch in den kommenden Wochen nicht vergessen sollten.
Hallo Herr Braun,
vielen Dank für diesen überaus interessanten Artikel, der auch mal die Schattenseiten des Fußballs teilweise beleuchtet.
MfG
Björn Schäfer
Ein sehr guter Artikel, der wirklich ein wenig die Geschichte hinter diesem Sport etwas aufdeckt.
Wie es ja zwecks der WM 2006 im Artikel stand, gehöre ick auch zu den Leuten, denen es relativ egal ist, ob die jetzt nun gekauft ist. Ick hatte mich sehr gefreut, dat die WM in Deutschland war und wir somit auch der Welt zeigen konnten, dat wir nicht dat Deutschland sind, wat in den Geschichtsbüchern steht.