Simon vs. the Homo Sapiens Agenda – Coming-(out) of age nun auch als Film

Simon vs. the Homo Sapiens Agenda – Coming-(out) of age

Der beliebte Jugendroman der amerikanischen Schriftstellerin Becky Albertalli behandelt eine Bandbreite sensibler Themen: Identitätsfindung und Coming-outs sind zwei davon. Probleme, die nicht nur in fiktiven Geschichten eine Rolle spielen, sondern auch die meisten Teenager tatsächlich bewegen. Also warum sollte uns der bevorstehende deutsche Kinostart der Buchverfilmung nicht nachdenklich stimmen?

 

Simon – wer ist das überhaupt?

Die Geschichte, die der 2015 veröffentliche Roman erzählt, ist simpel, aber packend: Der 17-jährige Simon ist schwul und ungeoutet. Er lernt im Internet einen Jungen in derselben Lage kennen, der noch dazu auf seine Schule geht. Als ihre anonyme Internetfreundschaft von einem Mitschüler entdeckt wird und er Simon mit den ihren Emails erpresst wird, wird dieser mit einigen schwierigen Fragen konfrontiert. Eine davon ist wohl etwas, wo die meisten von uns im Laufe ihres Lebens schon einmal durchmussten: Wer bin ich eigentlich?

 

Anders sein und dazu stehen: Coming-out in der Jugend

Das  Finden der eigenen Identität ist schwierig genug, aber manche Menschen stehen im Laufe ihres Erwachsenwerdens noch vor ganz anderen Problemen. Wenn man von der „Norm“ abweicht, egal ob in seiner Sexualität, seiner Denkweise oder dem äußeren Erscheinungsbild, hat man nicht nur mit sich selbst zu kämpfen, sondern auch noch mit seinem Umfeld. Begebenheiten, die in unserer heutigen Gesellschaft leider immer noch alltäglich sind. Wie man mit dieser Situation umgeht, kann natürlich sehr unterschiedlich ausfallen. Um einen Einblick zu gewinnen, hat ein bisexueller Kommilitone seine Erfahrungen mit uns geteilt:

 

Wie alt warst du bei deinem Outing und wie lief das ab?

K: Bei meinem Outing war ich 18 Jahre alt. Als erstem erzählte ich meinem besten Freund, dass ich bisexuell bin. Wir waren allein bei ihm, als ich nach ein paar Stunden beim Videospielen endlich den Mut aufbrachte. Leider war es nicht nur Akzeptanz auf die ich stieß. Er fragte mich auch mehrfach, ob ich auf ihn stünde, was mich doch runterzog. Meinen Eltern erzählte ich es erst, als ich meinen ersten festen Freund hatte. Das war mit 21.


Wie haben Familie/Freunde darauf reagiert?

K: Der Rest meiner Freunde reagierte durchweg gut. Sogar jene, die zuvor noch oft Witze über Schwule & Bisexuelle machten, unterstützen mich sofort. Einer von ihnen sagte sogar so etwas wie „Wenn dich deshalb irgendjemand fertig machen will, knöpfe ich ihn mir vor.“

Meine Eltern hingegen nahmen es überhaupt nicht gut auf. Sie wollten es nicht wahrhaben und fragten mich mehrfach, ob ich mir sicher sei. Meine Mutter fing sogar an zu weinen. Da meine älteren Brüder beide eher Karriere- bzw. Selbst-orientiert sind, hoffte sie, dass wenigstens ich eine „normale“ Beziehung führen würde. Außerdem sagten sie, dass ja noch Hoffnung bestehe, da ich ja „nur“ bi bin. Danach herrschte einige Tage eisiges Schweigen Zuhause. In den darauffolgenden Jahren schwiegen sie das Thema meiner Beziehung mit einem Mann tot und wichen meinen Fragen aus, ob sie ihn nicht doch mal kennen lernen wollten.


Wie hast du dich damals dabei gefühlt?

K: Was meine Freunde angeht war ich einfach glücklich, dass sie meine Sexualität so nonchalant hinnahmen. Bei meinen Eltern fühlte ich mich in der Zeit einfach unwohl und distanzierte mich von ihnen. Nach der doch unschönen Trennung näherte ich mich ihnen aber wieder an.


Wie gehst du heute mit dem Thema um?

K: Heute gehe ich damit ganz offen um. Ich sehe keinen Grund damit hinter dem Berg zu halten. Bei meinen Eltern kommt das Thema allerdings immer noch nicht auf.


Hast du abgesehen von der Reaktion deiner Eltern weitere negative Reaktionen erleben müssen?

K: Einmal, ja. Mein Ex-Freund und ich waren auf einem Wochenendseminar für Erlebnispädagogen. Als wir mit den anderen Teilnehmern abends bei einem Bier zusammen saßen, sprach mich einer der Letzteren an. Für ihn war das, laut seiner Aussage, einfach komisch mit uns beiden (der Tonfall war auch eher abschätzig). Mein Ex wies ihn jedoch sofort in seine Schranken, dass „das intolerantes Gewäsch sei“. Da dieser Instrukteur kein wichtiger Mensch für mich war, konnte ich das ignorieren.

 

Hältst du es für sinnvoll, dass das Thema LGBTQ in Film und Fernsehen immer öfter behandelt wird?

K: Das ist meiner Meinung nach ein zweischneidiges Schwert. Solange das Thema realistisch dargestellt wird, kann es zu einer „Normalisierung“ bzw. einer Gewöhnung der breiten Masse führen, wodurch (hoffentlich!) weniger Probleme für LGBTQ-Angehörige auftreten. Wenn es jedoch zu kitschig/dramatisch genutzt wird kann es schnell zu einer Abneigung kommen.

 

Als erstes möchten wir uns für die Offenheit und Ehrlichkeit unseres Kommilitonen bedanken. Für viele – ob nun Teil der LGBTQ Community oder nicht – ist es nicht leicht, offen über diese Dinge zu sprechen. Dabei sollten wir genau das tun. Denn nur wenn wir offen mit „Andersartigkeit“ umgehen, wird sie für uns zur Normalität. Die Geschichte rund um Simon lehrt uns genau das. Hat jemand ein Problem, ist es immer die beste Lösung, sich jemanden anzuvertrauen. Nur dann kann einem auch geholfen werden. Niemand sollte sich für das, was er ist, verstecken müssen, auch wenn der Weg manchmal schwer ist.

 

Wird der Film dem Thema gerecht?

Am 28. Juni kam eine Verfilmung mit dem Titel „Love, Simon“ in die deutschen Kinos. Anders als die Buchvorlage lässt sich der Film dem Genre der Romantic Comedy zuordnen. Ich habe mir den Film bereits angeschaut und bin schließlich mit gemischten Gefühlen aus dem Kino gekommen: Die Handlung ist an manchen Stellen sehr nah am Buch, an manchen ist sie freier dargestellt. Nichts Neues bei Buchverfilmungen. Was fehlt, ist die innere Perspektive von Simon, die im Buch so wunderbar deutlich wird. Das Thema Identitätsfindung wird nur grob angekratzt, das Hauptaugenmerk liegt eindeutig auf der komödiantischen Ebene. Wo mich das Buch stellenweise gefesselt hat und emotional werden ließ, da hat der Film mich „lediglich“ gut unterhalten, obwohl das Thema Outing und der Umgang mit Homosexualität, wie im Buch, ganz klar im Mittelpunkt stehen.

 

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